Alleinerziehend und hohe Schulden
In meiner langjährigen Tätigkeit als Ehrenamtliche in der HWB habe ich immer gerne kinderreiche Familien und Alleinerziehende begleitet. Ein Fall, an den ich mich besonders erinnere, ist Frau E.
Der Auftrag in diesem Haushalt war, sowohl einen Überblick über den Schuldenstand zu erstellen, als auch unterstützend mitzuwirken, um die Voraussetzungen für ein gelingendes Insolvenzverfahren zu schaffen.
Zu Beginn der Beratung war Frau E. arbeitslos, bekam Arbeitslosengeld II und war mit zwei Kindern, 15 und 12 Jahre alt, alleinerziehend.
Sie kam als junge Frau aus der Türkei nach Deutschland und arbeitete als Kassiererin in einem Großmarkt. Sie verdiente ausreichend und hatte in dieser Zeit einen Kredit für die Wohnungseinrichtung aufgenommen. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes trennte sie sich vom Vater der Kinder und musste ihren Arbeitsplatz aufgeben, da die Schichtarbeit bis in die späten Abendstunden die Kindererziehung und -betreuung unmöglich machte und ohne Partner nicht mehr organisierbar war.
Die Ratenzahlungen für den Kredit konnten nicht mehr bedient werden. Nach einigen Jahren hatte sich der Kredit durch hohe Zinsen vervielfacht, weitere Schulden entstanden; die Miete, der Strom und das Telefon konnten nicht mehr regelmäßig bezahlt werden. Die Schulden summierten sich auf über 30.000 €. Die gesamte finanzielle Situation war für Frau E. sehr belastend. Sie fühlte sich oft krank, hatte Magenprobleme, Rückenschmerzen und psychische Probleme.
Durch meine Hilfestellung und Begleitung konnte Frau E. den Druck leichter ertragen und die Beschwerden ließen mit der Zeit nach. So konnte sie ein Bewerbungstraining mit Computerkurs für alleinerziehende Mütter nach einiger Zeit regelmäßig besuchen, was ihr Selbstbewusstsein sehr gestärkt hat.
Nach vielen Anfragen und Bewerbungen bei wohnortnahen Geschäften fand Frau E. eine Aushilfstätigkeit in einer Filiale einer Bekleidungskette. Nach kurzer Zeit konnte Frau E. die monatliche Arbeitszeit von 40 auf 60 Stunden erhöhen. Sie war zum Teil alleine in der Filiale tätig und für alle Arbeiten zuständig. Spürbar wurde Frau E.‘ s Auftreten immer sicherer, auch ihr Sprachgebrauch wurde durch den Kundenkontakt besser und flüssiger.
Ein Jahr später stellte sie mit Hilfe der Städt. Schuldner- und Insolvenzberatung den Antrag für das Verbraucherinsolvenzverfahren. Das Verfahren wurde zeitnah eröffnet, was zur Folge hatte, dass sie keine Forderungen der Gläubiger mehr erhielt. Dadurch hatte sich nicht nur ihre finanzielle, sondern auch die psychische Belastung stark reduziert. Ihr Selbstwertgefühl ist durch ihre Arbeit deutlich gestärkt worden und sie fühlte sich wieder als Teil der Gesellschaft. Ihre Kinder erlebten ein stabileres Umfeld.
Ein Beitrag von Erika Zormaier, Ehrenamtliche von 2003 – 2024