Zum Hauptinhalt springen

Altersarmut und Überforderung im Alltag

Ich lernte das Ehepaar R. vor ca. einem Jahr kennen. Bei der ersten Begegnung im SBH war nur der Mann anwesend; ein großer, stämmiger weißhaariger Mann von 83 Jahren. Er konnte unserer Unterhaltung schwer folgen, weil sein Deutsch lediglich bruchstückhaft war. Deshalb konnte er auch seine Lebenssituation nicht erklären. Er war aber, so schien es mir, sehr froh, dass nun jemand da war, der sich um seine belastende Situation kümmern sollte.

Beim ersten Besuch in der Wohnung war ich bestürzt über die beengten Verhältnisse, in denen das Ehepaar lebte. Es war ein 1-Zimmer-Appartement mit nur 25qm Fläche. Die winzige Küchenzeile bestand aus einer kleinen Kochstelle, einem Spülbecken und einem Hängeschrank. Herr R. schlief auf einer Schlafcouch, deren Rahmen gebrochen war und mit Ziegelsteinen gestützt werden musste, Frau R. in einem Bett mit verschlissener Matratze. Dazu gab es nur noch einen Couchtisch und zwei Stühle. Von der Decke hing eine Glühbirne. Sie besaßen weder Radio oder TV noch Telefon. Die Möglichkeit, eine Waschmaschine in der Wohnung oder in einem Kellerraum aufzustellen, war nicht vorhanden. Trotz alledem schien das Ehepaar zufrieden mit den bestehenden Wohnverhältnissen zu sein.

Das Ehepaar stammte aus Bosnien und hatte mehr als 30 Jahre in Deutschland gearbeitet. Umso mehr erstaunte mich, dass Frau R. überhaupt kein Deutsch sprach und Herr R. nur sehr gebrochen. Dieser Umstand stellte ein großes Handicap bei der Beratung dar. Eine weitere Herausforderung war der desaströse Zustand jeglicher Unterlagen.

Nach der kurzen Bestandsaufnahme war klar, wo mit der Hilfe angesetzt werden musste. Die Wohnverhältnisse sollten verbessert und die Unterlagen sortiert, bewertet und dann bearbeitet werden. Mit Unterstützung der zuständigen BSA sowie der Schuldner- und Insolvenzberatung der Stadt München konnten zügig Stiftungsmittel für eine kleine Sanierung der Wohnung bereitgestellt werden.

Wesentlich schwieriger war die Aufarbeitung der vorhandenen Unterlagen. Das lag nicht nur an der Verständigung, sondern auch an der ungeordneten Aufbewahrung in Plastiktüten, Briefumschlägen in verschiedenen Schubladen und unter dem Tisch. Die Deutschkenntnisse des Ehepaars reichten nicht, um ein offizielles Schreiben zu lesen und zu verstehen oder Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Meine Nachfragen wurden wegen des sprachlichen Unvermögens nur unzureichend beantwortet.

Inzwischen wurde die finanzielle Situation durchschaubar gemacht. Die Schulden konnten so zugeordnet werden, dass eine Privatinsolvenz bei der Schuldnerberatung eingeleitet werden konnte. Außerdem wurde dem Antrag auf SGB XII Leistungen stattgegeben, was eine weitere finanzielle Entlastung mit sich brachte, um die schmalen Renten etwas aufzustocken.

Wir hatten ein sehr vertrauensvolles Miteinander und das Ehepaar war sehr dankbar für die Unterstützung durch die HWB. Perspektivisch wird das Ehepaar wahrscheinlich in einer Pflegeeinrichtung leben.

Ein Beitrag von Roswitha Schmitz-Hilferink, Ehrenamtliche seit 2016

Zurück zur Übersicht

loader-gif